Spiel, Spaß, Spannung - unsere Arbeit mit den Kindern
Seit wir da sind haben wir unseren Kindern entweder Tuition Classes gegeben, waren mit ihnen auf dem Playground, haben gespielt, gebastelt oder einen Film angeschaut.
Die Aussgangssituation, vor gut einem Monat, als wir ankamen, war folgende: Seit ein, zwei Monaten sind einige neue Straßenkinder in Prachodana, die nicht in die Schule gehen, weil es einfach zu riskant wäre. Sie könnten weglaufen, waren entweder noch nie in der Schule oder sind verhaltensauffällig, aufgrund einer ehemaligen Abhängigkeit.
Während dieser Großteil nicht da ist, beschäftigen wir uns mit den im Hostel bleibenden Kindern. Die Gruppe, da sie quasi immer im Hostel ist, wächst uns schnell ans Herz. Anfangs wissen wir gar nicht, wie wir sie unterrichten sollen, so ganz ohne Englisch ist das bisschen schwer. Und wie sollen wir ihnen bitte Mathe beibringen? Dazu kommt, dass sie erstmal die Zeiten für "Class" und "Games" nicht so wirklich unterscheiden, und mitten in einer Englischstunde fragen: „Games, Miss? Please!“ und mit ihren großen braunen Augen klimpern. Das jetzt gerade Unterricht ist, scheint ihnen manchmal noch zu entfallen.
Doch die Kleinen sind schnell total eifrig, fragen ständig wann endlich wieder die nächste class ist, und nach einer Woche kommen wir in die Study-Hall und sie sitzen schon in Reihen vor der Tafel. Große helfen Kleinen, die Kinder mit viel Schulerfahrung anderen mit wenig Schulerfahrung. Außerdem funktioniert die Technik des tausendfachen Wiederholens sowie das Lernen mit Bildern. Unser Lied zu Beginn der Stunde haben sie ziemlich schnell drauf: „Good morning, good morning, good morning to yoouuuu“, nur die zweite Zeile mit der Frage „How are you?“ geht noch schwer über die Lippen. Wir beschließen irgendwann, sie auch mal was schreiben zu lassen. Und beginnen mit den Körperteilen, die auf der Tafel so aussehen:
.... Und in ihren Heften so:
Gerade in Mathe lassen sie sich nicht alle zusammen unterrichten. Zu groß sind die Unterschiede der Wissenstände. Deswegen machen wir zwei Gruppen, Franzi nimmt die Kleinen, Jule nimmt die Großen. Bei den Großen sind manche richtig fit, und total engagiert dabei, vorallem als es ans Rechnen mithilfe der geliebten Uno-Karten geht. Bei den Kleinen wird schon das zählen bis 10 auf Englisch zur Herausforderung. Hier lautet die Devise "Üben, Üben, Üben".
Der Tag muss gefüllt werden bis die Schulkinder wieder kommen - und das wird er natürlich nicht nur mit Classes. Wir spielen, und vor allem malen wir. Als die Kinder das erste Mal „frei“ malen sollen, sind sie total verdutzt. Doch beim zweiten und dritten Mal brauchen sie keine Starthilfe mehr. Was uns auffällt: Kein einziges der Kinder malt sich sich selbst, sein Haus oder gar seine Familie. Generell sind die Bilder sehr unterschiedlich, manche zeichnen ab, manche malen Muster, manche richtig realistische Tiere. Doch dieses Stereotypische Malen, wie die Sonne in der Ecke, mit dem Gesicht, die Strichmänchen - das gibt es hier nicht.
Was sonst noch häufig auf dem Plan steht, ist Tanzen. Die Kinder lieben Tanzen über alles. Alle: Jungs wie Mädchen - aber immer schön getrennt. Erst die Hodogi (=Mädchen auf Kannada) dann die Hodoga (=Junge auf Kannada). Die Songwahl fällt schwer: Entweder wollen sie auf "Jeena Jeena Yaha" tanzen, oder auf "Jeena Jeena Yaha" oder auch auf "Jeena Jeena Yaha".
Nun, wenn die Schulkinder heimkommen, ist entweder (wenn grad kein Exam ist) Playground angesagt oder nochmals Spiele in der Study-Hall. Jetzt mit dem ganzen Hostel. Hier stehen wir vor einer neuen Herausforderung. Wir sind mit der Vorstellung hierhergekommen, Spiele, wie zum Beispiel Völkerball mit ALLEN Kindern spielen zu können. Man merkt jedoch, dass da eine Differenz ist, zwischen den „alten Prachodana Hasen“ und den Neuen, die nicht zur Schule gehen. Wir versuchen stückchenweise unsern Beitrag zum Zusammenwachsen der Gruppe zu leisten. Durch Spiele. Nur diese zu erklären, wenn der Großteil kein Englisch versteht... - naja, mit Geduld geht alles. Wir beschließen sie einfach endlos oft zu wiederholen. Manchmal ist es schwer die „alten“ zum Mitmachen zu motivieren, ihnen wird langweilig, weil die Kleinen schon allein zum Verständnis ewig brauchen. Doch der ein oder andere bleibt dran. Was uns dann umso mehr freut.
Wenn gar nichts zu Stande kommt, beschäftigen wir uns einfach mit ihnen: Spielen Volleyball, bauen Burgen aus gefundenen Sachen, springen Seil auf dem Playground oder verbleiben bei Gesellschaftsspielen in der Studyhall. Ein paar Kinder gewinnen mittlerweile gegen uns in Mühle. Obwohl wir es ihnen erst vor zwei Wochen beigebracht haben. Deprimierend.
Abends, nach Prayer und Snacks, sind jetzt endgültig, ausschließlich und ein für alle Mal nur die Schulkinder an der Reihe. Wir geben für sie Tuition Classes. Am häufigsten die 10., diese macht heuer Abschluss. So unterrichten wir sie in English und Maths. Mit den sechs Großen macht es uns richtig Spaß. Das einzige Mädchen in der Runde, fragt ihren Lehrer für uns, was wir an Grammatik verstärkt durchnehmen sollen. Außer Grammatik beschließen wir noch lesen zu üben. Die Abschlussprüfung scheint sehr auf Textverständnis ausgelegt zu sein und uns kommt es manchmal vor, als ob sie gut sprechen könnten, aber das gesprochene Wort dem geschriebenen gar nicht zuordnen können.
Auch die 8. und 9. unterrichten wir in Maths und English. Die etwas pubertäre, neunköpfige Truppe steht total auf Wettkampf basierende Lernspiele. Hier ist Gewinnen wichtig. Das irgendwas mal Null IMMER Null ist, weniger.
Die Kinder der Primary School (1. bis 7. Klasse), sind in Spoken English auch gut dabei. Von ihnen kennen wir Schule und Lehrer mittlerweile gut, erstens bringen wir sie öfters zur Schule, zweitens haben wir dort schon Stunden gehalten und werden das nach einer Pause (mal wieder aufgrund von Exams und Festival) weiter führen.
Einmal haben wir unsl eine indische Maths-Class an der Highschool unserer Kinder angeschaut. Hier war Frontalunterricht angesagt. Man merkt auch in den Classes, dass die Kinder es gewohnt sind durch Vor- und Nachsagen zu lernen. Trotzdem versuchen wir unseren Unterricht interaktiv zu halten. Das Wort „Circle!!!““ ist fester Bestandteil einer jeden Stunde.
Samstags sind die Kinder nur bis zwölf, halb eins in der Schule. Nachmittags basteln wir mit ihnen, bzw. mit dem Teil der die Lust und die Ausdauer hat. Die Devise lautet nämlich noch bei den meisten: Quantität vor Qualität. Besonders gut kam unser Puschel an: er hat sogar den Weg ins Office gefunden! :-) (siehe rechts).
Samstagabends ist Cultural Evening. Den Kommenden führen wir mit einigen Kindern den „KKID-Tanz“ auf.
Sonntags ist nach der Kirche für alle Baden und Waschen angesagt. Wenn Zeit ist, spielen wir noch. Abends finden wieder Classes statt. Zweimal haben sich bis jetzt schon die Türen des „Prachodana Cinema“ geöffnet. Auf dem Programm: Narnia.
Am Wochenende haben wir auch schon mit den Großen eine „Dance-Session“ eingelegt. Der Name des Lieds, welches sich die Großen wünschten war, war.... ratet mal??? ... Richtig! "Jeena Jeena Yaha". Hier waren wir eindeutig die Lernenden.
Auch wenn ab und zu unser Plan nicht aufgeht oder wir uns mal wieder missverstanden fühlen;
Wenn uns abends die Kleinen zum „Gute Nacht“ - Sagen drücken,
einer der "coolen Jungs" den Puschel den ganzen Tag als Kette um den Hals trägt,
ein 8. Klässer auf die Frage „100 mal 0“ die Antwort „0“ gibt
oder sich eins der großen Mädchen für das „new game“ bedankt,
dann wissen wir, wieso wir hierher weltwärts gegangen sind.
Seit gestern gehen alle Kinder des Hostels in die Schule. Jetzt ist tagsüber also (fast) niemand mehr da. Es war hier sozusagen auch erster Schultag (wie in Bayern). Zur Feier des Tages (und zur Motivation - schließlich ist Bildung toll) bekommen sie von uns Schultüten mit einem Kugelschreiber und Brause. Wir begleiten sie zur Schule und sind richtig gerührt, als wir sie im Klassenzimmer verschwinden sehen.
Jetzt sind die Tage hier nicht nur ungewohnt still, sondern werden sich wohl auch neu gestalten.
Also bleibt dran :-) Danke fürs Lesen, wir freuen uns über jeden einzelnen eurer Kommentare riesig!
Franzi & Jule
(Dieser Artikel wurde verfasst von Jule, und überarbeitet von Franzi)
Hey Jule! :)
AntwortenLöschenIch finds mega toll was ihr macht & dass es dir gut geht! Und euer Blog ist richtig gut, es ist sau interessant zu lesen, was du da so alles erlebst! Wir freuen uns aber auch alle schon darauf wenn du wieder Heim kommst! :)
Aleks <3
süß, Aleks. Freut mich SEHR dass du so ein regelmäßiger Leser bist !!! <3 Ja doch so ein bisschen Penzberg fehlt mir schon ;-) Jule
Löschenist wirklich schön zu lesen, was ihr alles mit den kindern so macht, klingt super vielseitig und super anstrengend :D SUUUPER viel spass noch, freu mich schon euch bald wiederzusehen :)
AntwortenLöschenalles liebe, nena
Beeindruckend, wie viel ihr mit den Kindern macht. Besonders die Schultütenaktion finde ich super. Hoffentlich werden die Kinder auch lange zur Schule gehen. Freue mich auf viele weitere Berichte aus Prachodana mit so tollen Projektideen,
AntwortenLöschenRobin
So spannend zu lesen! Ich will mehr! Wie organiseirt und engagiert ihr den Schul-und Freizeitalltag mit den Kindern getaltet nötigt mir großen Respekt ab. Und egal wie schwer oder leicht sich der ein oder andere tut - sie haben sicherlich alle etwas davon - und ihr ja auch! Es klingt-bei allen Schwierigkeiten- nach einer beglückenden und erfüllenden Aufgabe. Danke für's Teilhabenlassen. Lieben Gruß vom Alpenrand, heike
AntwortenLöschenIhr schreibt so anschaulich, dass ich manchmal das Gefühl habe selbst eine Bildungsreise zum Thema "Bildungschancen weltweit" zu machen, ohne mich von der Stelle zu bewegen. Eure Berichte über die Situation der Kinder, Eure Lern- und Spielstunden mit Ihnen, die Gedanken die Ihr euch macht... all das geht unter die Haut. Ich freue mich auf weitere Berichte und Bilder!! Ganz liebe Grüße, Maria
AntwortenLöschenSuper, ihr seid wirklich angekommen. Ich find es vor allem Klasse, wie gut ihr die "Neuen" aufgefangen habt . Es wäre spannend auch mal etwas über die anderen Prachodana Lehrer zu erfahren.
AntwortenLöschenLiebe Jule, liebe Franzi, Opa Rainer lässt anfragen wie lange die Kinder im Durschnitt im Heim wohnen und in welchem Alter sie es verlassen. Und wohin sie dann gehen und wo sie leben. Lieben Gruß, Heike und Opa Rainer
AntwortenLöschenHallo Mama, hallo Opa,
LöschenDas ist ganz unterschiedlich, manche kommen auch erst im Teenageralter hierher. Das Ziel Prachodanas ist die Kinder zur Schule zu schicken und ihnen so Zukunftschancen zu verschaffen. Die Kinder sind hier im Durchschnitt mit 16 mit der Schule fertig. Dann gehen sie oft in ihr Dorf zurück, zu ihren Familien sofern sie eine haben oder lassen sich weiter ausbilden. In diesem Fall wird von Seiten der Organisation versucht sie weiterhin zu Trainings sozusagen "als Übergangshilfe" zu schicken. Liebe Grüße zurück, vorallem an Opa Rainer!! Jule